Cannabis und Gesundheit: Wechselwirkungen, Nebenwirkungen und Kontraindikationen

Cannabis findet zunehmend Verwendung in der Medizin – etwa zur Linderung von Schmerzen, Übelkeit oder Spastiken. Viele Patient:innen fragen sich jedoch, wie Cannabis mit anderen Medikamenten und der eigenen Gesundheit interagiert. In diesem Artikel beleuchten wir Wechselwirkungen von Cannabis mit Medikamenten, wichtige Nebenwirkungen sowie Kontraindikationen (Situationen, in denen man auf Cannabis verzichten sollte).
Das Wichtigste im Überblick
Worum geht's?
- Kritische Wechselwirkungen: Blutverdünner (Blutungsrisiko↑), Beruhigungsmittel (Sedierung↑), Antidepressiva (verstärkte Nebenwirkungen)
- Enzym-Blockade: Cannabis hemmt CYP450/UGT-Enzyme → 70% aller Medikamente betroffen, bereits 1 Joint kann Abbau halbieren
- Absolute No-Gos: Psychosen/Schizophrenie, schwere Herzerkrankungen, Schwangerschaft/Stillzeit, Alter unter 18
- Herz-Kreislauf-Gefahr: Blutdruckschwankungen, Herzrasen, 2,3-fach erhöhtes Infarktrisiko bei täglichem Konsum
- Dosisempfehlung: Keine sichere Tagesmenge, ab 1g/Tag Organschäden möglich, maximal 1x/Woche empfohlen
Was verträgt sich nicht mit Cannabis? (Wechselwirkungen Überblick)
Cannabis kann mit sehr vielen Medikamenten wechselwirken. Die Pflanze enthält nicht nur THC (Tetrahydrocannabinol) und CBD (Cannabidiol), sondern hunderte weitere Substanzen. Dieses Vielstoffgemisch kann die Wirkung anderer Arzneimittel beeinflussen. Ein Forscherteam der Washington State University fand 2021 heraus, dass Cannabinoide und ihre Abbauprodukte zwei wichtige Enzymfamilien (CYP450 und UGT) hemmen, die in Leber und Niere für den Abbau von Arzneistoffen zuständig sind. Das bedeutet: Cannabis kann die Konzentration vieler Medikamente im Körper verändern, was entweder zu Wirkungsverlust oder verstärkten Nebenwirkungen führen kann. Besonders problematisch ist, dass auch Cannabis-Metabolite (Abbauprodukte) noch bis zu zwei Wochen im Körper verbleiben und enzymhemmend wirken können.
Wichtig: Selbst ein einzelner Joint kann die Enzymaktivität deutlich beeinflussen. Berechnungen legen nahe, dass eine durchschnittliche Dosis THC (z.B. ein Joint) ausreichen könnte, um die Aktivität mancher Abbau-Enzyme um die Hälfte zu verringern. Dadurch könnten Medikamente langsamer verstoffwechselt werden und sich im Körper toxisch anreichern, oder umgekehrt zu schnell abgebaut werden und an Wirksamkeit verlieren. Für junge, gesunde Menschen mag dies weniger spürbar sein. Aber ältere oder chronisch kranke Patient:innen mit mehreren Medikamenten sind besonders gefährdet, da Cannabis hier unerwartete Wechselwirkungen und Organschäden begünstigen könnte. Deshalb sollten Arzt oder Apotheker immer über Cannabiskonsum informiert werden, um die Therapie entsprechend anzupassen.
Inkompatibel mit Cannabis (also besonders kritisch in Kombination) sind vor allem folgende Medikamentengruppen:
Blutgerinnungshemmer (Antikoagulantien)
Cannabis (THC und CBD) kann Enzyme hemmen, die Gerinnungshemmer abbauen. Dadurch steigen deren Spiegel und das Blutungsrisiko erhöht sich. Besonders Warfarin und Phenprocoumon vertragen sich schlecht mit Cannabis – hier wurden teils starke Blutungsneigungen beobachtet (Quelle: Studien aus Dänemark 2019). Auch neue direkte orale Antikoagulantien (DOAK) wie Rivaroxaban, Apixaban und Dabigatran könnten verstärkt wirken, weil Cannabis einen wichtigen Transporter (P-Glycoprotein) blockiert. Umgekehrt wurde berichtet, dass Cannabis die Aktivierung von Clopidogrel (einem Blutverdünner) hemmt, sodass dessen gewünschte Wirkung nachlassen kann. Bei blutverdünnenden Medikamenten ist höchste Vorsicht geboten – Cannabis sollte nach Möglichkeit gemieden oder nur nach ärztlicher Rücksprache konsumiert werden.
Beruhigungs-, Schlaf- und Narkosemittel
Cannabis und sedierende Medikamente verstärken sich gegenseitig. Parallel eingenommen kann es verstärkt zu Benommenheit, Schläfrigkeit, Schwindel und einer deutlich verlangsamten Reaktionsfähigkeit kommen. Das Sturzrisiko steigt, was insbesondere für ältere Patient:innen gefährlich ist. Auch starke Schmerzmittel (Opioide) und Muskelrelaxantien wirken in Kombination mit Cannabis sedierender.
Tipp: Während einer Cannabistherapie muss die Dosis anderer ZNS-dämpfender Mittel oft reduziert werden. Andererseits untersuchen Studien auch positive Synergie-Effekte: So gibt es Hinweise, dass medizinisches Cannabis die schmerzlindernde Wirkung von Opioiden verstärken kann, wodurch womöglich niedrigere Opioid-Dosen ausreichen (Quelle: Neuropsychopharmacology, 2017). Solche Effekte sind jedoch individuell verschieden – ohne ärztliche Kontrolle ist die gleichzeitige Einnahme von Cannabis und Beruhigungsmitteln nicht zu empfehlen.
Antidepressiva
Bei Antidepressiva kommt es auf den Typ an. THC kann die Wirkung einiger Antidepressiva verstärken. Besonders bei trizyklischen Antidepressiva (z.B. Amitriptylin) wurden verstärkte Nebenwirkungen wie Herzrasen (Tachykardie) und Schwindel beobachtet, wenn gleichzeitig Cannabis konsumiert wurde. Auch SSRI-Antidepressiva (z.B. Fluoxetin, Paroxetin, Sertralin) könnten in ihrer Wirkung durch THC beeinflusst werden – einzelne Berichte deuten auf eine Wirkungsverstärkung hin. Das bedeutet, Cannabis-Konsumierende könnten stärker von den Nebenwirkungen (z.B. Unruhe, Blutdruckanstieg oder Sedierung) betroffen sein. Wer Antidepressiva einnimmt, sollte daher vorsichtig mit Cannabis sein und Änderungen in Stimmung oder Körpergefühl genau beobachten (im Zweifel den Arzt fragen). Umgekehrt könnten bestimmte Antidepressiva (z.B. Fluoxetin) als CYP-Enzymhemmer wirken und den Abbau von THC/CBD verlangsamen – dies erhöht die Cannabiswirkung. Insgesamt gilt: Cannabis und Psychopharmaka bedürfen einer engmaschigen ärztlichen Begleitung, da sowohl Über- als auch Unterwirkungen möglich sind.
Antipsychotika (Neuroleptika)
Cannabis kann die Behandlung schwerer psychischer Erkrankungen beeinträchtigen. THC steht im Verdacht, die antipsychotische Wirkung von Neuroleptika abzuschwächen. Gleichzeitig könnte es bestimmte Nebenwirkungen dieser Medikamente (etwa Bewegungsstörungen) abmildern. Das hilft dem Patienten jedoch kaum – im Gegenteil besteht das Risiko, dass eine Psychose schlechter kontrolliert wird.
Wer wegen einer Psychose, Schizophrenie o.Ä. behandelt wird, sollte auf Cannabis verzichten (mehr dazu unten bei Kontraindikationen). Falls dennoch Cannabis konsumiert wird, muss derdie Psychiaterin informiert werden, um ggf. die Medikation anzupassen.
Schmerz- und Entzündungshemmer
Gängige Schmerzmittel wie Ibuprofen oder Paracetamol zeigen nach aktuellem Wissensstand keine starken Wechselwirkungen mit Cannabis – man kann sie in der Regel zusammen einnehmen (Quelle: aktuelle Übersichtsartikel, 2023). Allerdings können sowohl Cannabis als auch nicht-steroidale Antirheumatika (NSAIDs) wie Ibuprofen auf Dauer die Leber belasten. Langfristig hochdosierter gleichzeitiger Gebrauch beider könnte theoretisch das Risiko von Leberschäden erhöhen (Vorsicht bei bereits bestehender Leberschädigung). Bei Opioid-Schmerzmitteln ist – wie erwähnt – Vorsicht geboten, aber auch möglicher Nutzen (Synergie) vorhanden.
Achtung: Aspirin und Cannabis können beide den Blutdruck senken und die Blutgerinnung beeinflussen; hier ist ebenfalls Rücksprache mit dem Arzt ratsam.
Herz-Kreislauf-Medikamente
Cannabis beeinflusst das Herz-Kreislauf-System und somit auch Medikamente, die darauf wirken. Bei gleichzeitiger Einnahme von Cannabis und Blutdrucksenkern kann es etwa zu starkem Blutdruckabfall kommen – Schwindel und Ohnmacht drohen. Cannabis kann experimentell den Blutdruck senken (siehe Abschnitt unten) und die Herzfrequenz erhöhen, was die Wirkung von Betablockern, Kalziumantagonisten etc. unvorhersehbar machen kann. Zudem interagiert Cannabis mit dem Enzymsystem, über das viele Herzmedikamente abgebaut werden (z.B. bestimmte Antiarrhythmika oder Statine). Eine Studie warnt, dass strenge wissenschaftliche Untersuchungen nötig sind, um die Sicherheit von Cannabis für Herzpatienten zu bewerten. Insbesondere bei älteren Herzpatient:innen mit Cannabisrezept ist enge ärztliche Überwachung wichtig.
Krebsmedikamente (Zytostatika)
Medizinisches Cannabis wird bei Krebspatienten z.B. gegen Übelkeit oder zur Appetitsteigerung eingesetzt. Allerdings werden viele Chemotherapeutika ebenfalls über CYP-Enzyme abgebaut. THC und CBD können diese Enzyme hemmen, sodass der Abbau mancher Zytostatika verlangsamt wird. Das könnte einerseits die Wirksamkeit von Prodrugs (Medikamentenvorstufen, die im Körper aktiviert werden müssen) mindern, andererseits aber auch die Nebenwirkungen der Chemo verstärken (durch höhere Wirkstoffspiegel).
Beispiel: Tamoxifen, ein Brustkrebs-Medikament, wird durch CYP3A4 und CYP2D6 aktiviert – chronische CBD-Gabe senkte in einer Studie die Spiegel der wirksamen Tamoxifen-Metaboliten.
Krebspatienten sollten Cannabis nur nach Rücksprache mit ihren Onkologen verwenden. Positiv ist, dass Cannabis keine bekannten negativen Interaktionen mit gängigen Schmerzmitteln wie Morphin oder Fentanyl zeigt – es kann hier eher hilfreich sein (siehe oben, Opioid-Synergie). Dennoch gilt: Jede zusätzliche Substanz während einer Krebstherapie muss genau auf Wechselwirkungen geprüft werden.
Antibiotika und andere Medikamente
Bestimmte Antibiotika oder Antipilzmittel können die Cannabiswirkung unerwartet verstärken. Zum Beispiel ist bekannt, dass Ketoconazol (ein Antimykotikum) als starker CYP3A4-Hemmer die Blutspiegel von THC und CBD nahezu verdoppeln kann. Ähnliche Effekte gelten für Makrolid-Antibiotika (z.B. Clarithromycin) oder HIV-Proteasehemmer wie Ritonavir – sie alle bremsen den Abbau von Cannabiswirkstoffen. Wer solche Medikamente nimmt, sollte besonders vorsichtig mit der Cannabisdosierung sein, um Überdosierungssymptome (Benommenheit, Kreislaufprobleme) zu vermeiden.
Auf der anderen Seite gibt es Substanzen, die die Cannabiswirkung abschwächen: Enzyminduktoren wie Rifampicin (Tuberkulose-Antibiotikum), bestimmte Epilepsie-Medikamente (Carbamazepin, Phenytoin) oder das pflanzliche Johanniskraut beschleunigen den THC-/CBD-Abbau – die Cannabiswirkung fällt dadurch schwächer aus. Anwender berichten dann ggf., dass sie "weniger spüren" und höhere Dosen bräuchten – was aber riskant sein kann, sobald das Enzym-induzierende Medikament abgesetzt wird (dann könnten plötzlich viel höhere Cannabinoid-Spiegel entstehen).
Zusammengefasst verträgt sich Cannabis nicht gut mit Medikamenten, die eine geringe therapeutische Breite haben (d.h. schon kleine Konzentrationsänderungen führen zu Problemen) – z.B. Blutverdünner, Herzmedikamente, bestimmte Psychopharmaka. Auch Polymedikation (viele verschiedene Medikamente) ist ein Risiko: Die Mischung mit Cannabis kann unvorhersehbare Effekte haben. Im Zweifel gilt: Immer den behandelnden Arzt fragen, bevor man Cannabis (medizinisch oder recreational) in Kombination mit anderen Arzneien einnimmt.
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Welche Medikamente verstärken die Wirkung von Cannabis?
Manche Medikamente können die Wirkung von Cannabis verstärken – sei es die psychoaktive Wirkung (Rausch, Entspannung) oder auch körperliche Effekte. Dies geschieht vor allem, wenn ein Medikament den Abbau von THC/CBD hemmt oder ähnliche Wirkungen hat, die sich mit Cannabis addieren. Wichtige Beispiele sind:
CYP-Hemmer
Wie oben erwähnt, hemmen bestimmte Medikamente die Leberenzyme, welche Cannabis abbauen. Dazu zählen Antimykotika wie Ketoconazol oder Itraconazol, Makrolid-Antibiotika (Clarithromycin, Erythromycin) und Kalziumantagonisten wie Verapamil. Nimmt man solche Mittel, baut der Körper das THC langsamer ab – die psychoaktiven Effekte von Cannabis können dadurch stärker und länger ausfallen. Patient:innen berichten z.B. von stärkerer Sedierung oder einem verlängerten „High". Auch Grapefruitsaft hemmt übrigens CYP3A4 und könnte theoretisch die Cannabiswirkung steigern (wie bei vielen Medikamenten, sollte man Grapefruit meiden, wenn Wechselwirkungen ein Thema sind).
Bestimmte Antidepressiva
Fluoxetin (ein SSRI) hemmt nebenbei das Enzym CYP2D6 und etwas CYP3A4. Dadurch könnte es den Abbau von THC verlangsamen und die Cannabiswirkung verstärken. Ähnliches gilt für Bupropion oder Fluvoxamin. Zudem berichtet eine kanadische Studie, dass kombinierter Konsum von THC-haltigen Präparaten mit SSRIs die psychoaktiven Effekte erhöhen kann (Quelle: Clin Pharmacol Ther, 2011). MAO-Hemmer (eine ältere Antidepressiva-Klasse) dürfen aus anderen Gründen nicht mit diversen Rauschmitteln kombiniert werden – hier ist ebenfalls Vorsicht geboten.
Benzodiazepine und andere Sedativa
Beruhigungsmittel wie Diazepam, Lorazepam etc. verstärken nicht direkt den THC-Spiegel, aber ihre dämpfende Wirkung addiert sich zu der von Cannabis. Das Ergebnis: Man wird deutlich müder, ggf. verwirrt oder ataktisch (unsicher auf den Beinen).
Ähnlich wie Alkohol plus Cannabis ist diese Mischung riskant (Sturzgefahr, Blackout). Auch andere ZNS-Wirkstoffe wie Antihistaminika (manche Allergiemittel machen müde) oder opioide Schmerzmittel verstärken die sedative Cannabiswirkung. Hier ist Achtsamkeit geboten – etwa nicht Auto fahren oder Maschinen bedienen, wenn man solche Kombinationen eingenommen hat.
Anticholinergika
Medikamente wie Atropin oder Scopolamin (gegen Übelkeit, Schwindel) können bestimmte THC-Nebenwirkungen verstärken, z.B. die Herzfrequenzsteigerung und Mundtrockenheit. Barbiturate (heutzutage selten, früher als Schlafmittel/Antiepileptika) wirken ähnlich synergistisch mit Cannabis, was Puls und ggf. Blutdruck betrifft.
Cannabis + Alkohol
Auch wenn Alkohol kein „Medikament" ist, sei erwähnt: Alkohol und Cannabis zusammen potenzieren sich ebenfalls. Alkohol erhöht die THC-Blutkonzentration, weil er die Verstoffwechslung verlangsamt – das „High" wird intensiver als erwartet. Gleichzeitig vermindert THC das Wahrnehmungsvermögen für Trunkenheit. Die Kombination kann zu Übelkeit, Kreislaufversagen oder psychischen Ausnahmezuständen führen. Daher wird von gleichzeitiger Einnahme von Alkohol und Cannabis dringend abgeraten.
Fazit: Alle Substanzen, die die gleichen Abbauwege nutzen oder dämpfende Wirkungen haben, können Cannabis verstärken. Wer neue Medikamente bekommt, sollte den Arzt fragen: „Hat das Einfluss auf meinen Cannabis-Konsum?" In manchen Fällen muss dann die Cannabis-Dosis gesenkt oder die Kombination vermieden werden, um Überdosierungen und verstärkte Nebenwirkungen zu verhindern.
Was hebt die Wirkung von Cannabis auf (bzw. verringert sie)?
Gibt es Medikamente oder Mittel, die die Cannabiswirkung abschwächen oder „aufheben"? Tatsächlich ja – der umgekehrte Fall der Wechselwirkung ist ebenfalls möglich. Einige Substanzen können die Wirkung von THC/CBD vermindern, indem sie deren Abbau beschleunigen oder die Rezeptorwirkungen entgegensteuern:
Enzym-Induktoren
Medikamente, die Leberenzyme ankurbeln, beschleunigen den Abbau von Cannabiswirkstoffen. Ein prominentes Beispiel ist das Antibiotikum Rifampicin, das Enzyme wie CYP3A4 stark aktiviert. In Folge werden THC und CBD schneller aus dem Körper entfernt und die Effekte sind schwächer und kürzer.
Ähnliche Wirkungen haben einige Antiepileptika: Carbamazepin, Phenytoin und Phenobarbital steigern diverse CYP-Enzyme – bei Patienten mit Epilepsie, die Cannabis als Zusatztherapie nehmen, wurden dadurch zum Teil niedrigere THC/CBD-Spiegel gemessen (Quelle: Fallberichte 2019).
Johanniskraut, ein pflanzliches Antidepressivum, induziert ebenfalls CYP3A4 so stark, dass es bekannt ist, viele Medikamente abzuschwächen – auch bei Cannabis sollte man auf Johanniskraut verzichten, da es den THC-Abbau beschleunigt und die Wirkung spürbar verringern kann.
CYP1A2-Induktoren (Rauchen)
Interessanterweise kann Cannabis selbst – wenn geraucht – die Wirkung mancher Medikamente reduzieren. Der Verbrennungsrauch (wie auch beim Tabakrauchen) enthält polyzyklische Aromaten, welche das Enzym CYP1A2 in der Leber verstärkt bilden lassen. Dieses Enzym baut Medikamente wie Theophyllin (Asthmamedikament), Clozapin und Olanzapin (Antipsychotika), Antidepressiva wie Clomipramin oder Migränemittel wie Zolmitriptan ab.
Cannabisraucher haben daher oft niedrigere Spiegel dieser Medikamente, d.h. eine höhere Dosis könnte nötig sein – oder die Wirkung ist unzureichend. Dieser Effekt tritt schon bei etwa 2 Joints pro Woche auf.
Wichtig: Es liegt am Rauch (Verbrennung). Wer Cannabis stattdessen vaporisiert oder als Öl einnimmt, induziert CYP1A2 weniger stark. Patienten, die mit Cannabis rauchen aufhören, sollten ihren behandelnden Arzt informieren – möglicherweise muss die Dosis z.B. des Antipsychotikums dann gesenkt werden, weil der Abbau nicht mehr so stark induziert wird.
Medikamente gegen Psychosen/Übelkeit
Einige Arzneien können gezielt THC-Effekte mindern. In Notfallsituationen (z.B. akute Cannabis-Psychose) werden mitunter Antipsychotika wie Haloperidol gegeben, die die psychischen Wirkungen von THC dämpfen. Auch CBD selbst kann in gewissem Maße die extreme Psychoaktivität von THC abschwächen (CBD wirkt als negativer Modulator am Cannabinoidrezeptor).
Ein spezieller Fall ist Prochlorperazin (ein Medikament gegen Übelkeit und Schwindel): Es blockiert Dopaminrezeptoren und reduziert den psychotropen Effekt von THC, verstärkt aber dessen anti-Übelkeits-Wirkung. Das heißt, in der Kombination könnte der „High"-Effekt schwächer ausfallen, während die Übelkeitslinderung bestehen bleibt. In der Praxis wird das aber selten bewusst genutzt – es ist eher ein Pharmakologie-Fakt am Rande.
Betablocker:
Betablocker wie Propranolol oder Metoprolol, die gegen Bluthochdruck oder Herzrhythmusstörungen eingesetzt werden, heben zwar nicht das „High" auf, aber sie vermindern körperliche Symptome des Cannabisrauschs, insbesondere das Herzrasen (Tachykardie). Ärzte nutzen das manchmal: Wenn ein Patient nach Cannabis starken Herzklopfen hat, kann ein Betablocker dies senken. Allerdings sollte man Betablocker nicht eigenmächtig zum „Runterkommen" nehmen – immer ärztlich abklären, da Betablocker selbst Nebenwirkungen haben und nicht für alle geeignet sind.
Insgesamt gibt es wenige Substanzen, die Cannabis vollständig neutralisieren. Im Ernstfall einer Überdosis (Panikattacke, Psychose) werden beruhigende Medikamente (Diazepam) oder Antipsychotika gegeben – aber prophylaktisch sind solche Kombinationen nicht ratsam. Wer das Gefühl hat, Cannabis wirkt bei ihm kaum, obwohl die Dosis hoch ist, sollte überlegen, ob ein anderer gleichzeitiger Medikamenteneinsatz die Wirkung mindert. Hier kann eine ärztliche Anpassung helfen. Umgekehrt sollten starke Raucher bedenken, dass Raucherpausen oder -entwöhnung die Medikamentenwirkung verändern können, da der induzierende Effekt aufhört.
Kann Cannabis den Blutdruck senken?
Viele Patient:innen haben gehört, Cannabis könnte den Blutdruck beeinflussen – manche sorgen sich um Kreislaufprobleme, andere hoffen vielleicht auf einen positiven Effekt bei Bluthochdruck. Die Wahrheit ist: Cannabis kann tatsächlich den Blutdruck senken, aber die Auswirkungen sind komplex.
Kurz nach dem Konsum von THC-haltigem Cannabis kommt es oft zu zwei Phasen: zunächst einem leichten Blutdruckanstieg (besonders im Liegen), dann jedoch zu einer Blutdrucksenkung, vor allem beim Aufstehen (orthostatische Hypotonie). Das erklärt, warum sich einige Nutzer schwindelig fühlen oder schwarz vor Augen wird, wenn sie high sind und plötzlich aufstehen. In einer kontrollierten Studie wurde beobachtet, dass Cannabisbestandteile wie CBD bei gesunden Probanden den Blutdruck senken können. Diese gefäßerweiternde Wirkung kann kurzfristig positiv bei Bluthochdruck sein – allerdings ist sie unzuverlässig. Insbesondere bei hoher THC-Dosis kann es auch zu Stressreaktionen kommen (Angst, Herzrasen), die wiederum den Blutdruck steigen lassen.
Bei Personen mit normalem oder niedrigem Blutdruck kann Cannabis daher leicht zu Hypotonie (niedrigem Blutdruck) führen. Symptome sind Schwindel, Schwächegefühl, im Extremfall Ohnmacht. Gefährlich wird es z.B., wenn jemand blutdrucksenkende Medikamente nimmt: Cannabis verstärkt dann die blutdrucksenkende Wirkung, was zu einem drastischen Abfall führen könnte. Andererseits berichten einige Menschen mit Bluthochdruck, dass gelegentliches Cannabis ihren Druck etwas senkt und entspannt – dennoch ist es kein zuverlässiges Blutdruckmittel. Der Effekt hält nur kurz an und wechselt mit Phasen erhöhten Pulses.
Außerdem spielt die Einnahmeform eine Rolle: Beim Rauchen von Cannabis tritt die Wirkung schnell und stark ein, was eher zu Kreislaufreaktionen führt. Essbare Cannabisprodukte (Edibles) wirken verzögert, hier kommt es seltener zu akutem Blutdruckabfall, allerdings ist die Wirkung länger andauernd. CBD-Produkte (ohne nennenswert THC) werden gelegentlich zur Entspannung beworben – auch sie können in höheren Dosen den Blutdruck etwas senken und beruhigen, ohne Rausch. Eine kleine Studie in JCI Insight 2017 fand, dass eine einzelne Dosis CBD den Blutdruck bei Gesunden signifikant senkte. Das zeigt ein Potenzial, aber ersetzt keine Therapie: Niemand sollte eigenmächtig Blutdruckmedikamente absetzen und durch Cannabis/CBD ersetzen!
Achtung für Herz-Kreislauf-Patienten: Cannabis hat nicht nur Einfluss auf den Blutdruck, sondern auch aufs Herz. Typischerweise verursacht THC Tachykardie (erhöhten Puls). Bei Personen mit Herzproblemen kann das gefährlich sein – Herzrhythmusstörungen oder Angina pectoris (Herzschmerzen durch Durchblutungsmangel) können ausgelöst werden. Einzelne Fälle von Herzinfarkten unmittelbar nach Cannabiskonsum sind in der Literatur beschrieben. Eine große Beobachtungsstudie 2021 (CMAJ) ergab, dass unter 33.000 jungen Erwachsenen diejenigen, die kürzlich Cannabis konsumiert hatten, etwa doppelt so häufig einen Herzinfarkt erlitten wie Nicht-Konsumenten. Zwar ist das absolute Risiko bei jungen Menschen gering (1,3 % der Konsumenten vs. 0,8 % der Nicht-Konsumenten hatten einen Infarkt), doch der Unterschied war signifikant. Bei häufigerem Konsum stieg das Risiko weiter – gelegentliche Nutzer hatten ein 1,5-fach erhöhtes Infarktrisiko, Vielnutzer sogar ca. 2,3-fach erhöht. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass Cannabis die kardiovaskuläre Belastung erhöht. Mögliche Mechanismen: THC erhöht den Herzoxygenbedarf (durch Tachykardie) und kann zugleich kurzfristig Blutdruck und Sauerstoffangebot senken, was bei vorgeschädigten Gefäßen ein Infarktereignis begünstigt.
Fazit: Ja, Cannabis kann den Blutdruck senken – aber in unkontrollierter Weise. Für gesunde Menschen mag der Effekt ungefährlich sein, manchmal sogar erwünscht (Entspannung). Für Menschen mit Blutdruckmedikamenten oder Herzproblemen besteht jedoch ein Risiko für starke Blutdruckabfälle und Herz-Kreislauf-Zwischenfälle. Deshalb sollten Herzpatienten Cannabis nur unter strenger medizinischer Überwachung nutzen. Wer nach dem Cannabiskonsum Symptome wie Schwindel, Herzklopfen oder Brustschmerzen bemerkt, sollte sich setzen oder hinlegen und ärztlichen Rat suchen.
Welche Kontraindikationen gibt es für Cannabis? (Wann sollte man Cannabis nicht nehmen?)
Kontraindikationen sind Umstände, unter denen eine bestimmte Behandlung nicht angewendet werden sollte, weil das Risiko den Nutzen überwiegt. Auch für die Cannabis-Therapie (und den Cannabis-Konsum allgemein) gibt es solche Konstellationen. Hier sind die wichtigsten Fälle, in denen man besser auf Cannabis verzichten sollte:
Schwere psychische Erkrankungen
Menschen mit Psychosen, Schizophrenie oder schweren Persönlichkeitsstörungen sollten kein THC-haltiges Cannabis konsumieren. Der Grund: THC kann psychotische Symptome auslösen oder verschlimmern. Es gibt seit Langem Hinweise auf sogenannte Cannabis-induzierte Psychosen. Aktuelle Daten zeigen, dass Cannabis bei genetisch oder anderweitig vorbelasteten Personen das Risiko, an Schizophrenie zu erkranken, etwa verdoppeln kann. Insbesondere starker, regelmäßiger Konsum in der Jugend korreliert mit höherer Wahrscheinlichkeit, später eine Psychose zu entwickeln.
Bei bereits diagnostizierter Schizophrenie kann Cannabis Wahn und Halluzinationen triggern. Daher ist Cannabis kontraindiziert bei Patient:innen mit aktueller oder vergangener Psychose. Auch schwere Depressionen oder bipolare Störungen gelten als Kontraindikation in manchen Fachinformationen, da THC Stimmungen destabilisieren kann. Ausnahme CBD: Reines CBD (ohne THC) hat keine psychoaktive Wirkung und wird sogar experimentell bei Psychosen erforscht – aber auch hier nur unter ärztlicher Aufsicht.
Herzerkrankungen und schwerer Bluthochdruck
Patienten mit koronaren Herzkrankheiten, Herzrhythmusstörungen oder dekompensierter Herzinsuffizienz wird von Cannabis abgeraten. Wie oben beschrieben, kann THC Herzrasen und Blutdruckschwankungen verursachen. Bei vorgeschädigtem Herzen kann das zu Angina-pectoris-Anfällen, Arrhythmien oder im schlimmsten Fall zum Infarkt führen.
Auch unkontrollierter Bluthochdruck (Hypertonie) ist ein Warnsignal: Cannabis erhöht kurzfristig den Puls und kann den Blutdruck sowohl rauf als auch runter treiben, was für einen instabilen Hypertoniker gefährlich werden kann. In der Schwangerschaft (siehe nächster Punkt) wurde sogar vermutet, Cannabis könnte das Risiko für Präeklampsie (schwangerschaftsbedingter Bluthochdruck mit Organproblemen) erhöhen.
Absolute Kontraindikation sind akute schwerwiegende Herzerkrankungen wie frischer Herzinfarkt, schwere Angina oder ausgeprägte Arrhythmien – hier sollte niemals THC gegeben werden. Bei stabilen Herzpatienten mag eine vorsichtige medizinische Cannabistherapie erwogen werden, aber nur mit engmaschiger Überwachung.
Schwangerschaft und Stillzeit
Schwangere und stillende Frauen sollten grundsätzlich kein Cannabis konsumieren. Es fehlen zwar noch umfassende Studien am Menschen, aber tierexperimentell und in Beobachtungen gibt es Hinweise auf Entwicklungsstörungen beim Ungeborenen. Mögliche Folgen von Cannabiskonsum in der Schwangerschaft sind niedriges Geburtsgewicht, veränderte Gehirnentwicklung, späteres erhöhtes Risiko für Aufmerksamkeitsstörungen oder psychische Auffälligkeiten beim Kind. THC passiert die Plazenta und erreicht den Fetus; beim Stillen geht es in die Muttermilch über.
Einige Studien deuten auch auf ein erhöhtes Risiko für Schwangerschaftskomplikationen wie Präeklampsie hin. Da noch viel unbekannt ist, empfehlen Fachleute einstimmig, in Schwangerschaft und Stillzeit auf Cannabis zu verzichten – selbst auf medizinisches Cannabis, außer es gibt einen zwingenden Grund. (CBD-haltige Produkte sind ebenfalls nicht ausreichend untersucht und daher zu meiden.)
Kinder und Jugendliche
Cannabis-basierte Medikamente sind kontraindiziert bei Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren, außer in absoluten Ausnahmefällen (z.B. bestimmten Epilepsien). Die Gehirnentwicklung ist bis ins junge Erwachsenenalter im Gange; regelmäßiger Cannabiskonsum in der Jugend kann die kognitive Entwicklung beeinträchtigen und ist mit einem höheren Risiko für Psychosen und Abhängigkeit verbunden. Im Rahmen von Studien oder speziellen Therapien (etwa bei kindlicher Epilepsie mit CBD) wird genau abgewogen – aber Freizeitkonsum von Cannabis im Jugendalter ist aus medizinischer Sicht sehr riskant. Selbst bei über 18-Jährigen jungen Erwachsenen wird geraten, möglichst bis nach dem 25. Lebensjahr keinen regelmäßigen THC-Konsum zu starten, um das volle geistige Entwicklungspotential nicht zu gefährden (Quelle: WHO, 2016).
Schwere Leber- und Nierenerkrankungen
Da Cannabinoide hauptsächlich in der Leber abgebaut und über Leber und Galle ausgeschieden werden, gelten schwere Leberfunktionsstörungen als Gegenanzeige für Cannabisarzneimittel. Eine stark eingeschränkte Leber könnte THC nicht richtig metabolisieren – das Risiko toxischer Wirkspiegel steigt. Ähnlich ist bei schwerer Niereninsuffizienz Vorsicht geboten, vor allem wenn Cannabis oral eingenommen wird; es liegen zwar wenige Daten vor, aber Metabolite könnten sich anreichern. Patienten mit Zirrhose, Hepatitis oder Nierenversagen sollten daher i.d.R. kein THC-Medikament erhalten, es sei denn, ein Spezialist stimmt dem ausdrücklich zu und überwacht es eng.
Aktive Suchtproblematik
Menschen mit einer aktuellen Sucht nach Alkohol, Opioiden oder anderen Drogen sollten vorsichtig sein – Cannabis kann eine bestehende Sucht verschlimmern oder zu Crossover-Abhängigkeiten führen. Bei bekannter Cannabisabhängigkeit selbst versteht es sich, dass ein kontrollierter medizinischer Einsatz schwierig ist. In den Kontraindikationen mancher Leitlinien wird eine Vorgeschichte von Substanzmissbrauch als Warnhinweis genannt. Cannabis hat zwar ein moderates Abhängigkeitspotential, aber Personen, die suchtanfällig sind, könnten leichter eine Gewohnheit entwickeln. Deshalb sollte z.B. jemand mit vergangener schwerer Alkoholabhängigkeit sehr gut abwägen (gemeinsam mit Ärzten), ob er medizinisches Cannabis nutzt.
Allergie gegen Cannabis oder Inhaltsstoffe
Dies ist selten, aber es kommt vor – insbesondere Kontaktallergien beim Umgang mit der Pflanze. Einige Patienten haben Überempfindlichkeiten gegen Cannabinoide selbst oder gegen Zusätze in Cannabis-Ölen (z.B. Trägeröle, Alkohol, Propylenglykol in Lösungen). Eine echte Allergie gegen Cannabis äußert sich z.B. in Asthmaanfällen, Hautausschlag oder anaphylaktischen Reaktionen nach Cannabis-Konsum. In solchen Fällen ist Cannabis selbstverständlich kontraindiziert.
Zusätzlich zu diesen harten Kontraindikationen gibt es Situationen, wo Cannabis mit besonderer Vorsicht angewendet werden sollte, etwa bei Lungenerkrankungen. Asthmatiker oder COPD-Patienten sollten Cannabis idealerweise nicht rauchen, da der Rauch die Atemwege reizt und zu Verschlechterungen führen kann. Inhalatives medizinisches Cannabis via Vaporisator oder als Öl/Tropfen könnte eine Alternative sein, aber auch hier gilt Vorsicht bei vorgeschädigter Lunge. Weiterhin sollten Menschen mit schwerer Angststörung oder Panikstörung vorsichtig sein – THC kann Angst verschlimmern oder Attacken auslösen. Bei Diabetes gibt es Vermutungen, dass Cannabis den Blutzucker beeinflusst, allerdings sind die Datenlage unklar (einige Studien vermuten z.B. niedrigere Metformin-Spiegel unter Cannabis, was ungünstig wäre, aber klare Belege fehlen).
Zusammengefasst: Kein Cannabis (bzw. nur in absoluten Ausnahmefällen mit ärztlicher Zustimmung) bei:
- Aktuellen oder früheren Psychosen, Schizophrenie und schweren psychischen Erkrankungen,
- Schweren Herz-Kreislauf-Erkrankungen, instabiler Angina, kürzlich Infarkt, schweren Rhythmusstörungen,
- Schwangerschaft und Stillzeit,
- Kindern/Jugendlichen unter 18,
- Schwerer Leberinsuffizienz (und Vorsicht bei Niereninsuffizienz),
- Unverträglichkeit/Allergie gegen Cannabis oder Inhaltsstoffe,
- Schwerer Suchtproblematik (unkontrollierter Konsum anderer Substanzen).
Im Zweifelsfall entscheidet die Ärztin oder der Arzt nach individueller Abwägung. So gibt es z.B. Patienten über 70 mit Herzproblemen, die dennoch unter engmaschiger Kontrolle Cannabis gegen Schmerzen erhalten – hier werden Dosis und Darreichungsform sehr vorsichtig gewählt. Eine gründliche Anamnese durch cannabis-erfahrene Ärzte ist unerlässlich, um Kontraindikationen auszuschließen und Risiken zu minimieren.
Wie wirkt sich Cannabis auf die Sexualität aus?
Das Thema Cannabis und Sexualität ist spannend, denn es gibt sowohl positive als auch negative Effekte, je nach Person, Dosis und Nutzungsdauer.
Kurzfristig berichten viele Konsumenten von positiven Erfahrungen: Cannabis kann sexuelle Hemmungen senken und die Sinneswahrnehmungen intensivieren, was bei manchen zu verbessertem Liebesspiel führt. In Umfragen gab rund die Hälfte junger Erwachsener an, dass Cannabis ihr sexuelles Verlangen steigert und Orgasmen intensiviert. Insbesondere Frauen scheinen profitieren zu können: Eine Studie der Universität St. Louis (2019) fand, dass Frauen, die vor dem Sex Cannabis nutzten, häufiger einen befriedigenden Orgasmus meldeten als Nicht-Konsumentinnen. Auch berichteten 16 % von weniger Schmerzen beim Sex (was z.B. für Frauen mit Dyspareunie interessant sein könnte). Die Mechanismen dahinter sind nicht vollständig erforscht – vermutlich reduziert Cannabis Stress und Angst, verlängert die subjektive Zeitwahrnehmung und erhöht die Empfindsamkeit für Berührungen. THC wirkt zudem auf Zentren im Gehirn, die den Neurotransmitter Dopamin freisetzen – Dopamin fördert Lust und Erregung. Kein Wunder also, dass Cannabis in manchen Kreisen als mildes Aphrodisiakum gilt.
Allerdings gibt es auch Kehrseiten, vor allem bei regelmäßigem oder hohem Konsum:
Hormonelle Effekte
Cannabis kann die Sexualhormone beeinflussen. Bei Frauen wurden gelegentlich Zyklen ohne Eisprung beobachtet. Bei Männern kann chronisches Kiffen zu einer Reduktion der Spermienzahl und -beweglichkeit führen. Studien zeigen, dass die Spermien von Cannabiskonsumenten oft „hyperaktiv" und unkoordiniert schwimmen, was die Befruchtung erschwert. Zudem setzt Cannabis offenbar Prozesse in Gang, die die Fähigkeit der Spermien beeinträchtigen, zur Eizelle zu gelangen und sie zu durchdringen. Kurz gesagt: Chronischer Cannabiskonsum kann die Fruchtbarkeit bei Männern (und möglicherweise Frauen) senken. Männer, die Kinder zeugen möchten, wird daher geraten, auf Cannabis zu verzichten – es ist unklar, ob sich eine bereits beeinträchtigte Samenqualität nach Absetzen wieder vollständig erholt.
Sexuelle Funktionsstörungen bei Männern
Interessanterweise deuten einige Untersuchungen darauf hin, dass häufige männliche Cannabiskonsumenten öfter unter Erektions- und Orgasmusproblemen leiden. In einer australischen Studie mit fast 9.000 Teilnehmern hatten Männer, die täglich kifften, viermal häufiger Probleme, zum Orgasmus zu kommen. Zudem berichteten sie überdurchschnittlich oft von vorzeitiger Ejakulation. Diese Assoziationen könnten mit chronischen Veränderungen im Endocannabinoid- und Dopaminsystem zusammenhängen. So wurde z.B. auch ein Zusammenhang zwischen langjährigem Cannabiskonsum und erhöhtem Risiko für Hodenkrebs diskutiert – wobei die genauen Ursachen hier unklar sind. Wichtig ist: Akuter versus chronischer Konsum unterscheiden sich. Akut kann Cannabis stimulierend wirken, chronisch kann es aber zu Abnahme der Libido, Erektionsstörungen oder Orgasmusschwierigkeiten führen.
Motivation und Intimität
Ein weiteres indirektes Phänomen ist die sogenannte amotivational syndrome – starke Dauerkonsumenten von Cannabis werden teils antriebslos, was auch das Interesse an Sexualität mindern kann. Partner von intensiv konsumierenden Personen klagen mitunter über „wenig Lust" oder Passivität des Konsumenten im Sexualleben. Cannabis kann zudem zu Kommunikationsproblemen führen, wenn einer high ist und der andere nüchtern – was das Sexualleben belasten könnte.
Insgesamt scheint gelegentlicher, geringer Cannabisgebrauch bei gesunden Erwachsenen keine gravierenden negativen Auswirkungen auf Sexualität zu haben – im Gegenteil, er wird oft als luststeigernd beschrieben. Übermäßiger oder langfristiger Konsum hingegen birgt Risiken: für die Fruchtbarkeit, die Hormonhaushalt und sexuelle Leistungsfähigkeit, vor allem bei Männern. Frauen berichten seltener von negativen Effekten außer in Bezug auf Zyklusunregelmäßigkeiten.
Dosis und Frequenz sind entscheidend: Ein Joint einmal im Monat vor dem Date könnte eher förderlich sein, während tägliches Kiffen tendenziell hinderlich ist. Zudem ist jeder Mensch anders – die Spannbreite reicht von Personen, die unter Cannabis impotent werden, bis zu solchen, die ohne Cannabis keine Lust empfinden (was wiederum problematisch wäre, da eine psychische Abhängigkeit besteht).
Ratschlag: Paare oder Einzelpersonen sollten offen über ihre Erfahrungen sprechen. Wenn Cannabis ins Liebesleben eingebracht wird, dann bewusst und einvernehmlich. Wer negative Veränderungen bemerkt (z.B. Erektionsprobleme, ausbleibender Orgasmus, ausbleibender Eisprung), sollte einen Arzt konsultieren. Es gibt Alternativen (pflanzliche Aphrodisiaka, Therapie bei sexuellen Störungen), die ggf. besser geeignet sind, als dauerhaft auf Cannabis als „Lustmittel" zu setzen.
Quellen
- Schuster N. (2022): Cannabis als Interaktionspartner, Pharmazeutische Zeitung. – Überblicksartikel zu Cannabis-Wechselwirkungen (Enzymhemmung, Arzneimittelinteraktionen).
- Nasrin S. et al. (2021): Cannabinoid Metabolites as Inhibitors of Major Hepatic CYP450 Enzymes…, Drug Metab Dispos 49(12), 1070-1080. – Studie der WSU: Cannabinoide und Metaboliten hemmen CYP450/UGT (70 % der Medikamente potenziell betroffen).
- Nowomed (2024): Welche Medikamente vertragen sich nicht mit Cannabis? – Ratgeber der Cannabis-Klinik Nowomed, Abschnitt zu Kontraindikationen und bekannten Wechselwirkungen (Warfarin, Sedativa, Antidepressiva).
- Fux, C. (2021): Riskante Kombination: Cannabis und Medikamente, netdoktor.de. – Presseartikel über Wechselwirkungs-Studie; enthält Zitate: „70 % der gängigen Medikamente betroffen", „ein Joint kann schon zu viel sein".
- DocCheck (2021): Wechselwirkungen: Cannabis treibt's mit allen. – Fachbeitrag mit konkreten Beispielen: Ketoconazol verdoppelt THC-Spiegel, Cannabis hemmt Clopidogrel-Aktivierung, erhöht DOAK-Spiegel, etc., sowie Herz-Kreislauf-Risiken (Studie Ladha, 2021).
- Jadoon et al. (2017): A single dose of cannabidiol reduces blood pressure in healthy volunteers…, JCI Insight 2(12): e93760. – Klinische Studie: CBD senkte akut den Blutdruck bei Gesunden – Hinweis auf hypotensive Wirkung von Cannabinoiden.
- Ladha et al. (2021): Recent cannabis use and myocardial infarction in young adults, CMAJ 193(35): E1377-84. – Große Querschnittsstudie: Junger Cannabiskonsum verdoppelte das Herzinfarktrisiko bei <45-Jährigen; häufiger Konsum steigerte Risiko bis auf das 2,3-Fache.
- Techniker Krankenkasse (TK) (2021): Cannabis als Medizin – Nebenwirkungen. – Informationsseite; nennt akute und langfristige Nebenwirkungen: keine Todesfälle durch Überdosierung, aber erhöhtes Psychoserisiko (Daten: Verdoppelung Schizophrenierisiko).
- Lee et al. (2019): Cannabis use and sexual health: examining the paradox, Sexual Medicine Reviews 7(4): 638-57. – Review zu Cannabis und Sexualfunktion (Kurzzeiteffekte vs. Langzeiteffekte, hormonelle Veränderungen). Zusammengefasst auch bei drugcom.de: Cannabis kann Lust steigern, aber Fertilität mindern.
- New Zealand Medical Study (2010) in Eur. Respir. J. (Beasley et al.): Cannabis smoking and lung cancer, zitiert in Süddeutsche Zeitung. – Ergebnis: Langzeit-Kiffen erhöht Lungenkrebsrisiko; 1 Joint ≈ Schadstoffbelastung von 20 Zigaretten.
(Alle Quellen zuletzt abgerufen im August 2025.)