Cannabis Nebenwirkungen: Risiken, Langzeitfolgen & Safer-Use-Tipps

Cannabis Nebenwirkungen: Risiken, Langzeitfolgen & Safer-Use-Tipps
privatrezept.net Redaktion
6 Minuten
25.7.2025

Medizinisches Cannabis kann Schmerzen lindern, Krämpfe lösen oder Übelkeit dämpfen. Gleichzeitig fragen sich viele Patientinnen und Patienten: „Welche Nebenwirkungen erwarten mich und wie groß ist das Risiko?" Dieser Beitrag beantwortet genau das, leicht verständlich und dennoch wissenschaftlich fundiert.

Das Wichtigste im Überblick

Worum geht's?

  • Häufige akute Effekte: Müdigkeit, Schwindel, trockener Mund, gesteigerter Appetit
  • Seltene akute Effekte: Angst, Herzrasen, kurzzeitige Verwirrtheit
  • Langzeitrisiken: Toleranz, moderates Abhängigkeitspotenzial, mögliche kognitive Einschränkungen bei sehr frühem Beginn
  • Besondere Vorsicht: Jugendliche, Schwangere, Menschen mit psychotischer Vorbelastung oder schwerer Herz-Kreislauf-Erkrankung
  • Safer-Use-Essentials: „Start low, go slow", Nichtrauchen bevorzugen (Öl, Kapseln, Vaporizer), regelmäßige ärztliche Kontrollen

So wirkt Cannabis im Körper – Basiswissen

Medizinisches Cannabis enthält vor allem THC (Delta-9-Tetrahydrocannabinol) und CBD (Cannabidiol). Beide docken an das körpereigene Endocannabinoid-System an, das Schmerz, Stimmung, Schlaf und Appetit reguliert (BfArM 2022). Wie stark und wie schnell Nebenwirkungen auftreten, hängt von Dosis, Einnahmeform, Genetik und Vorerkrankungen ab.

THC vs. CBD: Gegenspieler oder Team?

  • THC ist psychoaktiv. Es lindert Schmerzen und lockert Muskeln, kann aber auch Schwindel, Euphorie oder Angst auslösen (Urits et al. 2021).
  • CBD wirkt nicht berauschend, dämpft Entzündungen und kann THC-bedingte Angstgefühle abschwächen. Typische unerwünschte Wirkungen sind eher Müdigkeit oder weicher Stuhl (Schoedel et al. 2018).

Freizeitkonsum vs. medizinische Anwendung

Freizeitnutzer inhalieren häufig hochdosiertes, unkontrolliertes Material. Medizinisches Cannabis unterliegt dagegen strengen Qualitätsstandards und wird ärztlich verordnet. Die Krankenkasse übernimmt die Kosten nur bei schwerer Erkrankung und fehlenden Therapiealternativen – nach individueller Einzelfallprüfung durch den Medizinischen Dienst (BMG 2021).


Akute Nebenwirkungen (Minuten – Stunden)

Körperliche Effekte

Mögliche BeschwerdeHäufigkeitTypische Dauer
Müdigkeit, Benommenheitca. 10 – 15 %wenige Stunden
Schwindel, niedriger Blutdruckca. 10 %Minuten bis Stunden
Herzrasen< 5 %kurzzeitig
Mundtrockenheit, rote Augenca. 5 %1 – 3 h
Übelkeit< 5 %meist < 24 h

(Daten aus 16 809 Patientinnen; BfArM 2022)*

Psychische & kognitive Effekte

  • Leichtes „High" oder Euphorie (erwünscht)
  • Mit höherer Dosis: Angst, Paranoia, Halluzinationen – selten, unter 1 % (Urits et al. 2021)
  • Vorübergehende Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen

Sexualität & Libido

Einige Patient*innen berichten von gesteigerter Lust, andere von vorübergehendem Libidoverlust. Das hängt stark von Dosis, Erwartung und Gesamtbefinden ab (NIDA 2023).

Reaktionsvermögen, Fahrtüchtigkeit & Unfallrisiko

Unter akuter THC-Wirkung sind Reaktionszeit und Koordination vermindert. Bis die Wirkung komplett abgeklungen ist, sollte kein Fahrzeug geführt werden. Bei stabil eingestellter Dauermedikation ohne Rauschgefühl gilt man hingegen als fahrtüchtig (DVR 2017).


Langzeitwirkungen bei regelmäßigem Konsum

Gehirn & mentale Gesundheit

  • Gedächtnis & Aufmerksamkeit: Bei Erwachsenen meist reversible leichte Einbußen; bei frühem Beginn (< 18 J.) Risiko für bleibende Defizite (Lancet Psychiatry 2020).
  • Psychosen: Verdoppeltes Risiko bei genetischer Veranlagung; insgesamt selten (CaPRis-Studie 2021).

Regeneration: Wie schnell erholt sich das Gehirn?

Kognitive Tests zeigen oft nach 4 – 6 Wochen Abstinenz wieder normale Werte, sofern der Konsum im Erwachsenenalter begann (Lancet Psychiatry 2020).

Atmungsorgane

Rauchen von Blüten kann Bronchitis fördern; Verdampfen oder orale Darreichung vermeidet Teer und Feinstaub (Urits et al. 2021).

Herz-Kreislauf-System

Kurzfristig steigt der Puls; bei bestehender koronarer Herzkrankheit besteht ein leicht erhöhtes Ereignis-Risiko. Vorsicht, engmaschige Kontrolle (BfArM 2022).

Verdauung & Stoffwechsel

Selten tritt das Cannabinoid-Hyperemesis-Syndrom mit wiederkehrendem Erbrechen auf, meist nach mehrjährigem, hochdosiertem täglichen Konsum (Gastroenterology 2022).

Fortpflanzung & Schwangerschaft

Tier- und Humanstudien zeigen reduzierte Spermienzahl und Zyklusunregelmäßigkeiten bei sehr hohen Dauerdosen. In Schwangerschaft & Stillzeit kontraindiziert (WHO 2019).


Abhängigkeit, Toleranz & Entzug

Wie entsteht Cannabissucht?

Langfristige THC-Stimulation verändert das Belohnungssystem. Rund 9 % aller Konsumierenden entwickeln eine Abhängigkeit; bei täglichem Hochdosis-Gebrauch steigt die Quote auf bis zu 30 % (CaPRis-Studie 2021).

Entzugssymptome & Dauer

  • Reizbarkeit, Schlafstörungen, Appetitverlust
  • Start 1 – 3 Tage nach Absetzen, Peak nach ~ 1 Woche, Abklingen nach 2 – 4 Wochen (NIDA 2023)
  • Grad der Beschwerden korreliert mit Dosis und Dauer

Besondere Risikogruppen

  • Jugendliche: erhöhtes Psychose- und Kognitionsrisiko
  • Schwangere/Stillende: potenzieller Schaden für Fötus/Kind
  • Psychiatrische Vorerkrankungen: depressive Episoden, Angststörungen, Psychosen
  • Herz-Kreislauf-Patient*innen: Arrhythmien, KHK
  • Ältere Menschen: Sturzgefahr durch Blutdruckabfall

Mischkonsum & gestreckte Produkte: Zusatzgefahren

Tabak verstärkt das Abhängigkeitspotenzial; Alkohol erhöht Unfallrisiko. Illegale Blüten können Pestizide oder synthetische Cannabinoide enthalten – ärztlich verordnete Produkte unterliegen Reinheitsgeboten (BfArM 2022).


Safer-Use-Strategien & Hilfsangebote

  • Dosis langsam einschleichen, kleinste wirksame Menge beibehalten
  • Inhalation per Vaporizer oder orale Einnahme statt Rauchen
  • Regelmäßige Therapiepausen mit ärztlicher Begleitung
  • Beratungsstellen (z. B. Suchtberatung, Schmerzambulanzen) bei Problemen
  • Notruf 112 bei anhaltenden Halluzinationen oder Brustschmerz

FAQ

FrageKurzantwort
Was sind Nachteile von Cannabis?Kurzfristig Müdigkeit & Schwindel; langfristig mögliches Abhängigkeitspotenzial.
Wie schädlich kann Cannabis sein?Bei ärztlich kontrollierter Anwendung moderat; Risiko steigt mit Dosis und Dauer.
Was sind Risiken von Cannabis?Psychosen bei Veranlagung, Herz-Kreislauf-Stress, kognitive Defizite bei frühem Beginn.
Wie verändert Cannabis die Persönlichkeit?Vorübergehend veränderte Stimmung; bleibende Änderungen nur bei frühem, massivem Konsum.
Wie wirkt sich Cannabis auf die Sexualität aus?Häufig leichte Steigerung der Libido; bei hoher Dosis mögliche Funktionsstörungen.
Wie schnell erholt sich das Gehirn von Cannabis?Meist innerhalb von 4–6 Wochen nach Abstinenz.
Wie lange dauert der Cannabis-Entzug?2–4 Wochen, abhängig von Dosis und Dauer.
Warum sollte man Cannabis nicht rauchen?Rauch enthält Schadstoffe, die Lunge und Herz belasten.
Wann übernimmt die Krankenkasse ein Cannabisrezept?Bei schwerer Erkrankung & fehlenden Alternativen nach MD-Prüfung.

Quellen

  1. BfArM. Begleiterhebung Cannabisarzneimittel – Ergebnisse 2022.
  2. Bundesministerium für Gesundheit. Cannabis: Potenzial und Risiko (CaPRis) – Abschlussbericht 2021.
  3. Schoedel KA et al. Abuse potential of cannabidiol in recreational polydrug users. Epilepsy & Behavior 2018.
  4. Urits I et al. Adverse effects of recreational and medical cannabis. Psychopharmacology Bulletin 2021.
  5. National Institute on Drug Abuse (NIDA). Cannabis Research Report 2023.
  6. Lancet Psychiatry Commission. Health effects of non-medical cannabis use 2020.
  7. Gastroenterology Society. Cannabinoid-Hyperemesis-Syndrome Guidelines 2022.
  8. Deutscher Verkehrssicherheitsrat (DVR). Medizinisches Cannabis im Straßenverkehr 2017.
  9. Weltgesundheitsorganisation (WHO). Cannabis and cannabinoids: Critical Review Report 2019.

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